Antworten zur Europawahl: Wie viel Macht hat das EU-Parlament? Von Marek Majewsky, dpa

22.04.2024 09:58

In knapp 50 Tagen wird in Europa gewählt. Hunderte Millionen
EU-Bürger und -Bürgerinnen können dann ihre Stimmen abgeben und damit

die EU-Politik für fünf Jahre entscheidend prägen.

Brüssel (dpa) - Noch knapp sieben Wochen bis zur Europawahl - aber
worüber wird Anfang Juni eigentlich genau abgestimmt - und worüber
nicht? Welchen Einfluss hat das Europaparlament? Ein Überblick:

Wann findet die Europawahl statt?

Vom 6. bis 9. Juni können Stimmen abgegeben werden - je nach Land an
einem anderen Tag. Den Auftakt machen die Niederländerinnen und
Niederländer, die am Donnerstag, 6. Juni, an die Urne gehen können.
Es folgen Irland, einen Tag darauf Lettland, Malta und die Slowakei.
Im Rest der EU wird wie in Deutschland am Sonntag, 9. Juni, gewählt.
Mit den unterschiedlichen Daten sollen verschiedene Wahltraditionen
in den Ländern beibehalten werden können. In der Bundesrepublik sind
die Wahllokale wie auch bei Bundestagswahlen von 8.00 bis 18.00 Uhr
geöffnet.  

Wer wählt?

Erstmals dürfen in Deutschland bei einer Europawahl auch
Minderjährige abstimmen. Das Wahlalter wurde von 18 auf 16 Jahre
herabgesetzt. Damit hat sich die Zahl der Wahlberechtigten von rund
61,5 Millionen im Jahr 2019 auf knapp 65 Millionen Menschen für die
bevorstehende Wahl erhöht.

Deutschland ist damit eines der wenigen Länder, in dem sich
Minderjährige an der Wahl beteiligen dürfen. Nach Angaben des
EU-Parlaments von August ist dies sonst nur in Österreich, Belgien,
Malta und Griechenland möglich. Das Wahlalter in Griechenland liegt
bei 17 Jahren. Insgesamt leben in der EU knapp 360 Millionen
Wahlberechtigte. 

Deutsche, die nicht in Deutschland wohnen und an der Wahl teilnehmen
wollen, müssen vor jeder Wahl einen förmlichen Antrag auf Eintragung
in das Wählerverzeichnis stellen. Dabei gibt es laut der
Bundeswahlleiterin unterschiedliche Verfahren, je nachdem in welchem
Land man wohnt.

Wer wird gewählt?

Gewählt werden 720 Abgeordnete. Von der reinen Anzahl her sind das
zwar weniger Politikerinnen und Politiker als bei der vergangenen
Wahl, damals zogen 751 Volksvertreterinnen und -vertreter ins
Parlament ein. Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU verloren
aber auch zahlreiche Abgeordnete ihr Mandat. Im Vergleich zur
derzeitigen Zahl der Abgeordneten werden 15 Plätze mehr vergeben.

Wie sind die Abgeordneten auf die Länder verteilt? 

Deutschland ist das Land mit den meisten Wahlberechtigten und stellt
als bevölkerungsreichstes Land in der EU auch die meisten
Abgeordneten. Deutsche sind im Parlament aber dennoch
unterrepräsentiert. Während ein deutscher Abgeordneter gemessen an
der Gesamtbevölkerung im Schnitt grob 875 000 Menschen vertritt, sind
es bei einem Abgeordneten aus Malta nur knapp 100 000. Gäbe es diese
Ungleichheit nicht, müsste das Parlament entweder deutlich größer
werden oder die Bürgerinnen und Bürger der kleinsten EU-Länder würd
en
lediglich von einem Abgeordneten oder einer Abgeordneten vertreten. 

Wie wird gewählt?

Das unterscheidet sich von EU-Land zu EU-Land, teils von Partei zu
Partei. In Deutschland stellen die meisten Parteien bundesweit Listen
auf, deren Reihenfolge auf einem Parteitag festgelegt wird. Je mehr
Stimmen eine Partei bekommt, desto mehr Menschen von dieser Liste
ziehen ein. Bei der CDU/CSU werden Listen nicht bundesweit, sondern
auf Landesebene verabschiedet. EU-weit einheitlich ist, dass die
Anzahl der Abgeordneten einer Partei proportional zur Anzahl der
erhaltenen Stimmen sein muss. Länderübergreifende Listen gibt es
nicht.

Welche Auswirkungen hat die Wahl?

Welche Mehrheiten im Parlament organisiert werden können, hat
entscheidenden Einfluss auf neue EU-Gesetze. So musste bei vielen
aktuellen Vorhaben wie etwa dem Verbrenner-Aus oder umstrittenen
Naturschutz- und Klimagesetzen eine Mehrheit im Parlament zustimmen.
Auch bei der Verteilung von Geld, wie der milliardenschweren
EU-Agrarförderung, hat das Parlament einen großen Einfluss.

Die meisten Gesetze werden aber zusammen mit den EU-Staaten
verhandelt und müssen auch im sogenannten Rat eine Mehrheit finden.
Dort entscheiden Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen
nationalen Regierungen. Auf die Mehrheitsverhältnisse in dieser
Institution hat die Europawahl keinen direkten Einfluss.

Die Besetzung der EU-Kommission nach der Wahl kann das Parlament
hingegen beeinflussen. Die Behörde hat das alleinige Recht, konkrete
EU-Rechtsakte vorzuschlagen, die dann von Parlament und den
EU-Staaten ausgehandelt werden. Zwar ist es zunächst Aufgabe der
Staats- und Regierungschefs, einen Vorschlag für die Präsidentin
beziehungsweise den Präsidenten zu machen, das Parlament kann diesen
aber ablehnen. In der Regel wird auch ein Kandidat aus den Reihen der
größten Fraktion im Parlament vorgeschlagen.

Der Rat und der designierte Präsident erarbeiten dann eine Liste der
restlichen Kommissare, je einer aus jedem EU-Staat. Das Parlament
muss auch der Ernennung der restlichen Kommissare zustimmen.

Welche nationalen Besonderheiten gibt es?

In Deutschland gibt es wie etwa auch in den Niederlanden keine
Sperrklausel. Das heißt, sobald eine Partei rund einen Prozentpunkt
bekommt, kann sie mit einem Sitz im Parlament rechnen. In den
Niederlanden braucht es knapp 3,25 Prozent für einen Sitz. Andere
Länder haben hingegen eine Sperrklausel. In Frankreich etwa muss eine
Partei mindestens fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinen, in
Österreich sind es vier Prozent. Zudem besteht in einigen EU-Ländern
formell eine Wahlpflicht. Das ist etwa in Belgien, Luxemburg oder
Griechenland der Fall.