EU strebt Flüchtlings-Deal mit Libanon an

21.04.2024 12:37

Seit Wochen verzeichnet Zypern einen starken Anstieg der
Flüchtlingszahlen. Die Flüchtlingsboote kommen aus dem Libanon. Nun
soll europäisches Geld für das Transitland helfen.

Nikosia/Beirut/Brüssel (dpa) - Um die Einreise unerwünschter
syrischer Flüchtlinge in die EU zu verhindern, wird nach Angaben von
Zyperns Präsident Nikos Christodoulidis nun auch an einem Abkommen
mit dem Libanon gearbeitet. «Wir wollen dem Libanon helfen, mit den
Flüchtlingen umzugehen, damit nicht noch mehr nach Zypern kommen»,
sagte das Staatsoberhaupt der EU-Inselrepublik im Interview mit dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Sonntag). Er freue sich, am 2.
Mai zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in
den Libanon zu reisen, um ein konkretes Finanzpaket der Europäischen
Union anzukündigen.

Das Paket umfasse allerdings nicht nur den finanziellen Aspekt,
betonte Christodoulidis. Es gehe auch um die Unterstützung
libanesischer Institutionen wie zum Beispiel der Streitkräfte.
Letztere seien ein stabilisierender Faktor in dem an Syrien und
Israel grenzenden Land. 

Die aktuelle Situation in Zypern beschrieb Christodoulidis als
kritisch. «Ich muss hier die deutlichsten Worte verwenden: Es reicht.
Wir sind nicht in der Lage, noch mehr syrische Flüchtlinge
aufzunehmen.» Seit Jahresbeginn landeten auf der Insel im östlichen
Mittelmeer etwa 4000 Migranten - im ersten Quartal des Vorjahres
waren es lediglich 78. Aus deutscher Sicht mag die Zahl
verhältnismäßig gering erscheinen, doch für die kleine Inselrepubli
k
ist die Belastung enorm. Gemessen an seiner Einwohnerzahl gibt es
nirgendwo in der EU so viele Asylanträge wie auf Zypern. Anders
gesagt: 4000 neue Anträge dort entsprächen 340 000 in Deutschland.
Auf Zypern sind die Flüchtlingslager überfüllt, die Behörden haben

die Bearbeitung der Asylanträge von Syrern vorerst gestoppt.

Der von Zypern etwa 160 Kilometer entfernte Libanon steckt in der
schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte - laut Weltbank eine
der schlimmsten Krisen weltweit seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die
örtliche Währung hat mehr als 95 Prozent ihres Werts verloren. Das
Land mit 5,3 Millionen Einwohnern beheimatet mehr als 1,5 Millionen
syrische Flüchtlinge. Es zählt damit zu den Ländern, die pro Kopf
weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen haben. Migranten
versuchen etwa aus Tripoli im Norden, mit Booten nach Zypern zu
gelangen.

Für die jüngste Entwicklung sehen Experten verschiedene Faktoren -
allen voran die Unsicherheit, die der jetzt schon mehr als sechs
Monate dauernde neue Krieg im Gazastreifen in der Region verursacht.
Bei den Neuankömmlingen auf Zypern handelt es sich zum Großteil um
syrische Flüchtlinge, die bislang im Libanon lebten. Dessen
Botschafterin in Zypern, Claude el Hajal, sprach jüngst von zwei
Millionen überwiegend illegal eingereisten Syrern in ihrem Land. Die
Finanzhilfe der EU für den Libanon seien letztlich nur «Krümel». 


Er habe die EU um Hilfe gebeten, sagte Christodoulidis. Es müsse auch
darüber gesprochen werden, welche Menschen aus Syrien in der EU eine
Chance auf Asyl bekommen sollten. «Wir fordern ausdrücklich, dass
bestimmte Gebiete in Syrien als sichere Regionen eingestuft werden»,
sagte er.

Unter anderem um unerwünschte Migration zu verringern, hatte die EU
zuletzt auch neue Kooperations- und Unterstützungsabsprachen mit
Ägypten und Tunesien getroffen. Sie sehen Finanzhilfen für die Länder

in Milliardenhöhe vor. Kritik an der geplanten engeren Zusammenarbeit
gibt es allerdings wegen der Menschenrechtslage dort.