EU-Gipfel soll Bewegung in Kapitalmarktunion bringen

18.04.2024 04:12

Seit Jahren wird in Brüssel an der Kapitalmarktunion gearbeitet, viel
passiert ist bislang nicht. Wegen dringend benötigten Geldes für
Europas Wandel packen jetzt die Chefs und Chefinnen an.

Brüssel (dpa) - Pläne für ein Zusammenwachsen der europäischen
Kapital- und Finanzmärkte könnten nach Jahren ohne große Fortschritte

vorankommen. Wie aus einem Entwurf für die Abschlusserklärung eines
Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der EU am Mittwoch und
diesem Donnerstag in Brüssel hervorgeht, soll unter anderem die
Entwicklung grenzüberschreitender Anlage- und Sparprodukte
beschleunigt werden.

Hintergrund für die Pläne zur Kapitalmarktunion ist unter anderem,
dass jährlich rund 300 Milliarden Euro an Ersparnissen europäischer
Bürger ins Ausland umgeleitet werden - vor allem in die USA. Das geht
aus einem Sonderbericht des früheren italienischen
Ministerpräsidenten Enrico Letta hervor, der bei dem Gipfeltreffen
diskutiert werden soll. Die EU möchte, dass mehr Kleinanleger an den
hiesigen Finanzmärkten investieren, damit mehr Kapital für den grünen

und digitalen Wandel zur Verfügung steht.

Es müsse alle Energie in die finanzielle Unterstützung der
Transformation gesteckt werden, heißt es in Lettas Bericht weiter.
Dafür müsse als erste Priorität mehr Geld von Privatpersonen und
Firmen mobilisiert werden. 33 Billionen Euro an privaten Ersparnissen
sind dem Bericht zufolge in der EU vorhanden - überwiegend in Bargeld
und Einlagen. «Dieser Reichtum wird jedoch nicht in vollem Umfang
genutzt, um den strategischen Bedarf der EU zu decken», heißt es
weiter. 

Dem Entwurf der Abschlusserklärung zufolge soll auch das
Finanz-Allgemeinwissen von Bürgerinnen und Bürgern gestärkt werden.
Wer über mehr Wissen und Know-how verfügt, investiert eher, so die
Hoffnung. Eine Umfrage der EU-Kommission hatte im vergangenen Sommer
ergeben, dass nur jeder Zweite in der EU über durchschnittliches
Finanzwissen verfüge. Bei der Umfrage wurde auch ein
geschlechtsspezifisches Gefälle von Männern zu Frauen deutlich. 

Unklar war bis Donnerstag, ob die 27 EU-Länder sich auch auf eine
gemeinsame Position zu zwei Hauptstreitpunkten verständigen können.
Dabei geht es um Pläne für eine Harmonisierung der nationalen Regeln
für Unternehmensinsolvenzen und eine verbesserte zentrale Aufsicht
über die Kapitalmärkte in der EU. Frankreich etwa will eine stärkere

Rolle der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA)
mit Sitz in Paris. Auch Letta spricht sich in seinem Bericht für eine
schrittweise Ausweitung der Kompetenzen der Behörde aus.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich zuletzt nach bisheriger
Zurückhaltung Deutschlands in dieser Frage kompromissbereit gezeigt,
Bundesfinanzminister Christian Lindner gilt hingegen als Gegner.