Nordkorea verkündet Einstellung seiner Atom- und Raketentests

21.04.2018 12:13

Nach jahrelangen Drohgebärden und militärischen Machtdemonstrationen
sendet Nordkorea in rascher Folge Entspannungssignale. Jetzt kündigt
die kommunistische Führung gar an, es werde vorerst keine
Atomversuche mehr geben. Ist das die Wende in dem Konflikt?

Seoul/Pjöngjang (dpa) - Keine Atomversuche und Tests mit
Interkontinentalraketen mehr, dafür volle Konzentration auf
Wirtschaftswachstum: Mit dieser Ankündigung hat Nordkorea vor den
Gipfeltreffen mit den Präsidenten Südkoreas und der USA das Ausland
überrascht. Machthaber Kim Jong Un begründete den Schritt nach
Berichten staatlicher Medien vom Samstag unter anderem mit der
Vollendung des nordkoreanischen Atomprogramms. Dieser «große Sieg»
mache weitere Tests unnötig. Zwar sprachen Südkorea und die USA von
einem wichtigen Fortschritt im Atomstreit, doch auffällige Lücken in
der Erklärung aus Pjöngjang sorgen für Skepsis.

So ist von einer Aussetzung oder gar einem gänzlichen Verzicht auf
das Atomprogramm, wie es die internationale Gemeinschaft von
Pjöngjang fordert, in der Ankündigung nicht die Rede. Damit blieb
offen, inwiefern die kommunistische Führung bereit ist, auf den Bau
weiterer Atomsprengköpfe und Raketen zu verzichten, geschweige denn
das bestehende Arsenal abzubauen.

Die nukleare Testanlage Punggye-ri im Nordosten des Landes soll nach
Angaben der nordkoreanischen Staatsagentur KCNA komplett geschlossen
werden, um die Absicht zur Aussetzung der Atomversuche zu
bekräftigen. In der Anlage hatte Nordkorea seit 2006 all seine sechs
bisherigen Atomwaffentests unternommen - den bisher letzten und
stärksten im September vergangenen Jahres.

Die Schritte wurden am Freitag bei einem Treffen des Zentralkomitees
der Arbeiterpartei in Form einer Sechs-Punkte-Resolution beschlossen.
Zudem wurde ein Wechsel des politischen Kurses proklamiert, mit dem
sich das abgeschottete und verarmte Land künftig stärker auf die
Entwicklung der Wirtschaft konzentrieren wolle. Nicht zuletzt durch
internationale Sanktionen liegt das Land mit seinen rund 25 Millionen
Einwohnern wirtschaftlich am Boden. 

«Wir werden die Atomversuche und Teststarts mit
Interkontinentalraketen vom 21. April 2018 an nicht fortsetzen. Das
nördliche Atomtestgelände wird demontiert, um transparent die
Aussetzung der Atomtests zu garantieren», heißt es in dem Beschluss
des Zentralkomitees. Auch die Arbeit daran, Atomsprengköpfe auf
ballistische Raketen zu montieren, sei erfolgreich gewesen.
Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die mit
konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengköpfen
bestückt werden.

Der Streit um das nordkoreanische Atomprogramm gehört seit Jahren zu
den gefährlichsten Konflikten der internationalen Politik. Die
Spannungen hatten sich 2017 deutlich verschärft, nachdem Nordkorea
mehrfach Raketen und eine weitere Atombombe getestet und damit gegen
UN-Resolutionen verstoßen hatte.

Nordkorea hatte bereits nach dem Test einer Interkontinentalrakete im
vergangenen November erklärt, die Entwicklung zur Atomstreitmacht sei
abgeschlossen. Die USA als Erzfeind und Verbündeter Südkoreas
befänden sich in Reichweite nordkoreanischer Langstreckenraketen.

Die jüngsten Entspannungssignale passen zum vorsichtigen
Annäherungskurs Nordkoreas seit Beginn dieses Jahres. Nach Angaben
des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In ist Nordkorea zur
kompletten Denuklearisierung bereit. Kim verlange aber eine Ende der
«feindseligen Politik» der USA und eine Sicherheitsgarantie.

Moon und Kim wollen nächsten Freitag im Grenzort Panmunjom zum erst
dritten gesamtkoreanischen Gipfeltreffen seit Ende des Korea-Kriegs
(1950-1953) zusammenkommen. Neben dem Ende des nordkoreanischen
Atomprogramms will Moon auch über Bedingungen eines dauerhaften
Friedens auf der koreanischen Halbinsel reden.

Geplant ist auch ein Gipfeltreffen zwischen Kim und US-Präsident
Donald Trump, möglicherweise Anfang Juni. Zu den jüngsten Berichten
aus Pjöngjang schrieb Trump in der Nacht zum Samstag auf Twitter:
«Das sind sehr gute Neuigkeiten für Nordkorea und die Welt.» Er freue

sich auf den Gipfel. Als Gesandter Trumps war der CIA-Chef und
designierte US-Außenminister Mike Pompeo bereits kürzlich von Kim zu
einem Geheimbesuch in Nordkorea empfangen worden.

Die südkoreanische Regierung begrüßte den Teststopp als «bedeutsame
n
Fortschritt für die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel, die
sich die Welt wünscht». Sie diene zudem als «sehr positive Grundlage
»
für das nahende Gipfeltreffen.

Japans Ministerpräsident Shinzo Abe äußerte sich verhalten positiv.
Man werde sehen, ob der Schritt zu einer nachweisbaren und
unumkehrbaren Beseitigung des Arsenals an Massenvernichtungswaffen
führe. Sein Verteidigungsminister Itsunori Onodera wies zudem darauf
hin, dass in der Erklärung Nordkoreas nur auf den Teststopp für
ballistische Langstreckenraketen Bezug genommen werde - nicht aber
auf Tests mit Kurz- und Mittelstreckenraketen, in deren Reichweite
sich Japan und Südkorea als Nachbarstaaten befinden. Deshalb sei die
Erklärung «unbefriedigend» und «unzureichend».

Aus China, Russland und der EU kamen positive Reaktionen. Der
Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lu Kang, sagte, die
Entscheidung werde helfen, die Spannungen auf der koreanischen
Halbinsel abzubauen. Auch würden die Denuklearisierung und eine
politische Lösung damit vorangebracht.

«Moskau begrüßt die Entscheidung Nordkoreas, seine Atom- und
Raketentests einzustellen», sagte ein Sprecher des Außenministeriums
der Agentur Interfax. «Das ist eindeutig die Chance auf eine
Deeskalation der Spannungen, die sich noch vor ein, zwei Monaten bis
an den Rand eines Atomkriegs aufgeschaukelt hatten», schrieb der
Außenpolitiker Konstantin Kossatschow auf Facebook. Der Vorsitzende
des Außenausschusses im Föderationsrat forderte aber weitere
Schritte: Nordkorea müsse sich wieder an die Regeln des
Atomwaffensperrvertrags halten, die USA sollten eindeutige Zeichen
der Entspannung an Nordkorea senden.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bezeichnete den Teststopp
als einen lange erhofften Schritt auf einem Weg, der nun auch zur
völligen Denuklearisierung des asiatischen Landes führen müsse.