Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - auch für EU-Ausländer Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa

23.10.2017 23:28

Entsandte Arbeitnehmer aus ärmeren EU-Ländern verdienen an ihren
Einsatzorten im Westen oft sehr viel weniger als einheimische
Kollegen. Das soll nicht so weiter gehen.

Luxemburg (dpa) - Pflegerinnen aus Polen, Bauarbeiter aus Rumänien,
Fleischer aus Bulgarien: Hunderttausende EU-Ausländer arbeiten als
Entsandte aus ihren Heimatländern befristet in Deutschland. Für
deutsche Unternehmen erledigen sie preiswert Aufträge, für ihre
Heimatländer sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Doch
Gewerkschafter kritisieren «Ausbeutung» ausländischer Beschäftigter

und Sozialdumping auf dem heimischen Arbeitsmarkt.

Auf EU-Ebene sollen nun die Regeln verschärft werden, um Arbeitnehmer
besser zu schützen - auf eine entsprechende Reform der sogenannten
Entsenderichtlinie einigten sich die EU-Sozialminister am späten
Montagabend in Luxemburg. Im Mittelpunkt steht das Grundprinzip:
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort. Umstritten waren
jedoch Details. Am Ende mussten die Minister noch etliche
Stolpersteine aus dem Weg räumen.

Worum geht es?

Grundsätzlich darf jeder in der EU arbeiten, wo er will, und Firmen
dürfen überall ihre Dienstleistungen anbieten. Das gilt als wichtige
Errungenschaft im gemeinsamen Binnenmarkt. Eine Baufirma aus Kroatien
darf also ohne weiteres einen Auftrag in Österreich ausführen und
dafür Mitarbeiter dorthin schicken. In der gesamten EU gab es 2015
nach Angaben der EU-Kommission 2,05 Millionen entsandte Arbeitnehmer
- 41,3 Prozent mehr als 2010.

Wo liegt das Problem?

Wirtschaftskraft, Sozialstandards und Löhne in den EU-Ländern sind
sehr unterschiedlich. So lagen die Arbeitskosten - also Lohn und
Nebenkosten - pro Stunde 2016 in Dänemark bei 42 Euro. In Bulgarien
waren es 4,40 Euro. Das Gefälle birgt Konfliktpotenzial, weil Firmen
aus Ländern mit geringen Löhnen und Sozialbeiträgen die Preise für

Dienstleistungen in wohlhabenden Staaten unterbieten können.

Die EU-Entsenderichtlinie von 1996 sollte gegensteuern. Sie schreibt
vor, dass Mindestlöhne im Aufnahmeland auch für entsandte
Arbeitnehmer gelten - ebenso wie ein Mindesturlaubsanspruch und
Standards für Höchstarbeitszeiten, Sicherheit und Gesundheitsschutz.
Ein Kostenvorteil bleibt aber in jedem Fall: Sozialversichert sind
die Mitarbeiter meist sehr preiswert im Heimatland.

Wieso eine Reform?

Gewerkschafter halten das 20 Jahre alte Regelwerk für völlig
unzureichend. Eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung
spricht vom «Geschäftsmodell Ausbeutung» in einzelnen Branchen,
darunter Pflege, Bau, Schlachthöfe und Transportgewerbe. So würden
teils Mindestlohnsätze untergraben, weil den Beschäftigten
Reisekosten oder überteuerte Mieten abgezogen würden. Überlange
Arbeitszeiten würden verlangt, aber nicht bezahlt. Standards beim
Gesundheitsschutz würden missachtet. Die Studie beschreibt teils
kriminelle Machenschaften, die mit der Entsendung nicht immer
unbedingt zu tun haben. Kritiker machen aber Schlupflöcher in den
Regeln und mangelnde Kontrolle mitverantwortlich.

Was soll die Reform bringen?

Unterm Strich verdienen entsandte Arbeitnehmer nach Angaben der
EU-Kommission bisweilen nur die Hälfte der Entgelte von einheimischen
Kollegen. Das soll sich jetzt ändern: Künftig sollen für Entsandte
und Einheimische grundsätzlich die gleichen Regeln zur Vergütung
gelten. Also nicht mehr nur Mindestlohn, sondern auch
Gehaltsbestandteile wie Weihnachtsgeld, Prämien, Schlechtwettergeld
oder Ähnliches. Ziel seien gleiche Wettbewerbsbedingungen für
entsendende und lokale Unternehmen, heißt es von der Kommission.

Wo war man sich zuletzt noch uneinig?

Die EU-Kommission hat eine Befristung von Entsendungen auf 24 Monate
vorgeschlagen. Nach Ablauf der Frist müssten sich Arbeitnehmer dann
im Aufnahmeland sozialversichern. Frankreich wollte nur zwölf Monate,
was Deutschland mittrug. Am Ende hieß es: Es sollen in der Regel
zwölf Monate sein, in Ausnahmen bis zu 18. Das Transportgewerbe wird
allerdings von den Neuerungen ausgenommen. Für Lastwagenfahrer sollen
eigene Regeln gefunden werden.

Die östlichen EU-Länder sahen die ganze Reform von Anfang an sehr
skeptisch. Auch die Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände fand: «Die Regeln zur Entsendung sollten nicht
verschärft werden. Sie sind für Unternehmen und Arbeitnehmer so gut,
wie sie sind.»

Wie geht es weiter?

Nach der Einigung der EU-Sozialminister stehen im November
Verhandlungen mit dem Europaparlament an, das einen eigenen Entwurf
erarbeitet hat.