EU-Bürger sollen Bleiberecht in Großbritannien einzeln beantragen

26.06.2017 17:46

Vorige Woche begannen die Brexit-Verhandlungen, jetzt legt London
einen ersten detaillierten Vorschlag vor. Die EU wird daran zu
knabbern haben.

London (dpa) - Alle rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien
sollen ihr Bleiberecht nach dem Brexit einzeln beantragen, allerdings
nach einem vereinfachten Verfahren. Dies geht aus dem ausführlichen
Angebot für die Austrittsverhandlungen mit der Europäischen Union
hervor, das die britische Regierung am Montag vorlegte. Darin
verspricht sie den Betroffenen rasche Rechtssicherheit und kommt
einigen Forderungen der EU entgegen, allerdings nicht allen.

Die EU reagierte denn auch unzufrieden. «Das Ziel der EU bei den
Rechten der Bürger: Derselbe Schutz wie nach EU-Recht», twitterte
Chefunterhändler Michel Barnier am Montag. «Nötig sind mehr Ehrgeiz,

Klarheit und Garantien als in der heutigen Position des Vereinigten
Königreichs.»

Unter anderem lehnt die Regierung von Premierministerin Theresa May
die EU-Forderung strikt ab, dass EU-Bürger in Großbritannien ihre
Rechte auch künftig vor dem Europäischen Gerichtshof einklagen
können. Stattdessen sollen britische Gerichte zuständig sein. Schwer
verdaulich dürfte auch der britische Vorschlag einer
Stichtagsregelung sein, sofern der Termin vor dem eigentlichen
Austritt im März 2019 liegt.

May hatte den EU-Gipfel vorige Woche bereits in groben Zügen von dem
Angebot informiert. Garantien für die EU-Bürger in Großbritannien und

die rund eine Million Briten in der EU haben für beide Seiten
Priorität in den vor einer Woche begonnenen Verhandlungen. Denn die
Menschen sind nach dem Brexit-Votum vor einem Jahr schwer
verunsichert.

«Wir garantieren, dass alle dafür in Frage kommenden Einzelpersonen
einen gesicherten Status nach britischem Recht bekommen», heißt es in
dem Papier. «Das bedeutet, dass sie in jeder Eigenschaft hier wohnen
und jede legale Tätigkeit aufnehmen dürfen, dass sie öffentliche
Gelder und Dienstleistungen in Anspruch nehmen und sich um die
britische Staatsbürgerschaft bewerben dürfen.»

Das bisher äußerst komplizierte Bewerbungsverfahren für das
Bleiberecht soll vereinfacht werden. So soll zum Beispiel kein
Nachweis mehr nötig sein, dass EU-Bürger ohne Job immer voll
krankenversichert waren. Das Verfahren werde modernisiert und so
reibungslos und einfach wie möglich gehalten, versprach die britische
Regierung. Anträge sollen schon vor dem Brexit möglich sein. Eine
Übergangsfrist soll harte Brüche vermeiden.

Für ein dauerhaftes Bleiberecht in Frage kommen sollen nur EU-Bürger,
die vor einem bestimmten Stichtag im Land waren. Den neuen Status
bekommen sie auch frühestens, wenn sie fünf Jahre im Land gelebt
haben. Wer erst nach dem Stichtag kommt, sollte «keine Erwartung
eines garantierten Rechtsstatus» haben, heißt es weiter. Wer als
EU-Ausländer in Großbritannien wiederholt und schwer straffällig
wird, soll von dem Bleiberecht ausgeschlossen werden.

Schon nach Mays Vorschlägen vorige Woche hatte EU-Ratspräsident
Donald Tusk aber erklärt, sie blieben hinter den Erwartungen zurück.
Ein Stichtag vor dem eigentlichen Brexit wäre für die EU schwer zu
schlucken, weil das Land bis zum Ausscheiden volles Mitglied mit
allen Rechten und Pflichten ist und EU-Bürger eigentlich nicht
fernhalten kann. Die EU fordert zudem weitreichende Rechte für den
Familiennachzug, das will die britische Regierung zumindest
restriktiver regeln.