Dämpfer für Rechts: Van der Bellen neuer Präsident in Österreich

04.12.2016 20:46

Lange sah es bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich nach einem
Kopf-an-Kopf-Rennen aus - mit Vorteilen für den FPÖ-Bewerber Hofer.
Zuletzt hatte aber der Gegenkandidat Van der Bellen die Nase vorn.
Sein Sieg ist eine Schlappe für die Rechtspopulisten.

Wien (dpa) - Die Rechtspopulisten haben bei der Bundespräsidentenwahl
in Österreich eine unerwartet deutliche Niederlage erlitten. Der
72-jährige Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen gewann am Sonntag
laut Hochrechnung mit 53,3 Prozent klar gegen den FPÖ-Bewerber
Norbert Hofer (45). Van der Bellen war es nicht zuletzt mit seinem
Pro-Europa-Kurs gelungen, die Wähler zu überzeugen. Wegen des
erheblichen Vorsprungs von rund sechs Prozentpunkten ist die
Auszählung der Briefwahlstimmen am Montag nur noch von statistischem
Belang. Sie kann das Ergebnis nicht mehr drehen.

Hofer gestand seine Niederlage auf Facebook ein: «Ich bin unendlich
traurig, dass es nicht geklappt hat. Ich hätte gerne auf unser
Österreich aufgepasst.» Zugleich kündigte er eine neue Kandidatur f
ür
2022 an.

Beim vorläufigen Endergebnis der Stimmen, die an den Wahlurnen
abgegeben wurden, erreichte Van der Bellen 51,7 Prozent. Hofer
erhielt 48,3 Prozent. In diesem Ergebnis sind - im Gegensatz zur
Hochrechnung - die Briefwähler noch nicht enthalten. Deren rund 700
000 Stimmen werden erst am Montag ausgezählt. Dann dürfte sich das
Ergebnis erfahrungsgemäß der Hochrechnung wieder angleichen. Die
Wahlbeteiligung lag mit rund 74 Prozent nochmal etwas höher als im
ersten Durchgang der Stichwahl im Mai (72,8 Prozent).

Im Gegensatz zu Hofer ist Van der Bellen ein großer Anhänger der EU
und will deren Kompetenzen sogar ausgeweitet sehen. Der
Wirtschaftsprofessor hatte bereits die später annullierte Stichwahl
am 22. Mai knapp gewonnen. Er soll am 26. Januar 2017 vereidigt
werden. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre.

Die Wahl war im Ausland mit größtem Interesse und einiger Sorge
beobachtet worden. Die nach dem Brexit ohnehin geschwächte EU wäre
mit der Wahl Hofers wohl weiter unter Druck geraten.

Viele deutsche und europäische Spitzenpolitiker zeigten sich erfreut.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel twitterte: «Ganz Europa fällt
Stein vom Herzen.» Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte:

«Wäre das das Ergebnis, wäre das ein gutes Zeichen gegen Populismus
in Europa.» Der stellvertretende CDU-Parteichef Thomas Strobl meinte:
«Ich möchte nicht vom Anfang des Endes der AfD jetzt sprechen, aber
mit Blick auf die Bundestagswahl ist das doch ein eher gutes
Zeichen.» Auf Van der Bellen komme nun die Aufgabe zu, «die
österreichische Gesellschaft nach diesem langen und harten Wahlkampf
wieder zusammenzuführen», sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) schrieb, Van der Bellens
Sieg sei «eine schwere Niederlage für Nationalismus,
Rückwärtsgewandtheit und antieuropäischen Populismus.» Der
französische Präsident François Hollande betonte: «Das
österreichische Volk hat sich für Europa und Offenheit entschieden.»


Die AfD quittierte das österreichische Wahlergebnis zunächst mit
Schweigen. Die Partei von Jörg Meuthen und Frauke Petry hatte auf
einen Sieg von Hofer gehofft. FPÖ-Politiker waren zuletzt mehrfach
bei Veranstaltungen der AfD zu Gast. 

Im dritten Anlauf konnten 6,4 Millionen Wähler am Sonntag über das
neue Staatsoberhaupt entscheiden. Die erste Stichwahl war wegen
organisatorischer Fehler bei der Auszählung der Briefwahl gerichtlich
annulliert worden. Der Nachholtermin am 2. Oktober platzte wegen
defekter Umschläge bei der Briefwahl.

Der österreichische Bundespräsident ist einflussreicher als sein
deutscher Amtskollege. Er kann die Regierung eigenmächtig entlassen,
die Bildung einer Regierung nach Parlamentswahlen mitsteuern und
einzelne Minister ablehnen. Van der Bellen hatte angekündigt, selbst
im Fall eines Sieges der FPÖ bei der nächsten Parlamentswahl die
Rechtspopulisten nicht mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Van der Bellen und Hofer hatten sich in dem fast ein Jahr dauernden
Wahlkampf zahlreiche TV-Duelle geliefert. Mitunter war es dabei zu
gegenseitigen Beschimpfungen gekommen. Der 72-jährige
Wirtschaftsprofessor hatte Hofer immer wieder eine Neigung
nachgesagt, Österreich aus der EU führen zu wollen. Hofer hatte
seinem Gegner politischen Wankelmut vorgeworfen.

Erstmals in der jüngeren Geschichte Österreichs hatte es kein
Kandidat der etablierten Volksparteien SPÖ und ÖVP in die Stichwahl
geschafft. Der Kandidat der Sozialdemokraten sowie der Bewerber der
Konservativen waren bereits im ersten Wahlgang mit historisch
schlechten Ergebnis von jeweils rund elf Prozent deutlich
gescheitert. Der bisherige Bundespräsident Heinz Fischer war am 8.
Juli 2016 nach zwölf Amtsjahren ausgeschieden. Seitdem hatte das
dreiköpfige Nationalratspräsidium die Amtsgeschäfte übernommen.